Grammatik-Regeln für erfolgreichen Spracherwerb und Sprachentwicklung: Wichtige Meilensteine und Tipps

In diesem Blogpost zur Grammatik fasse ich zusammen: 

  • Welche Regeln der Wortbildung (Morphologie) für den Spracherwerb wichtig sind

  • Welche Regeln der Satzbildung (Syntax) für die Sprachentwicklung von Bedeutung sind

  • Welche Meilensteine es in der Grammatikentwicklung gibt 

Warum wir die Grammatik lieben und das Schreckgespenst aus der Schulzeit begraben sollten 

Wer das Wort Grammatik hört, fängt meist an zu stöhnen und möchte das Thema wechseln.  Schlechte Erinnerungen werden wach, als wir uns in der Schule durch die verschiedenen Grammatikregeln gequält, Fehlerquotienten unsere Noten runtergezogen haben und wir uns auch nach der 10. Wiederholung des Lehrers immer noch nicht merken konnten, was der Unterschied ist zwischen Deklination und Konjugation. Und wisst ihr was? Es gibt auch noch die Komparation, besser bekannt als die Steigerung. Die beherrschen meine Kinder im Schlaf, wenn es darum geht, sich als den besten und größten darzustellen. “Mein Bagger ist größer als deiner! Ich kann höher hüpfen!”

Wenn man mal all diese negativen Erinnerungen beiseite lässt und sich anschaut, wie wir es schaffen, Wörter zu organisieren, um komplexe Sachverhalte sprachlich auszudrücken, dann kann man sehr spannende Sachen entdecken. Und umso mehr sind wir auch verblüfft über die Fähigkeit unserer Kinder, grammatikalische Regeln aus der Alltagssprache abzuleiten und damit zu experimentieren. 

Die Grammatik setzt sich aus 2 Komponenten zusammen: die Morphologie (Wortgrammatik) und die Syntax (Satzgrammatik). Im folgenden Abschnitt geht es zunächst einmal um die Morphologie. 

Das Glück, glücken, glücklich sein, wessen Glück? Es ist geglückt! - Wortgrammatik

Die Morphologie beschäftigt sich mit Sprache auf Wortebene, z.B. welche Wortarten es gibt. 

Prinzipiell unterscheiden wir Inhaltswörter und Funktionswörter. Die Inhaltswörter bezeichnen Sachen. Dies können konkrete Dinge sein, wie z.B. ein Auto, oder abstrakte Dinge, wie z.B. Freude. Zu den Inhaltswörtern gehören:

  1. Hauptwörter (Nomen), z.B. Katze, Roller, Liebe

  2. Tätigkeitswörter (Verben), z.B.  schwimmen, hoffen, lachen

  3. Eigenschaftswörter (Adjektive), z.B. nervös, heiß, friedlich

  4. Umstandswörter (Adverbien), z.B. oft, trotzdem, vorwärts

Die Inhaltswörter werden oft als offene Klasse bezeichnet, weil ständig neue Wörter hinzukommen. Man denke nur an die schöne Wortschöpfung wie Zwinkersmiley. Dank Greta Thunberg hat es Fridays for Future in den Duden geschafft und wer hätte vor ein paar Jahren gewusst, was man unter Influencer versteht und dass manche damit ihr Einkommen verdienen. Welches neuen Wort sollten eurer Meinung nach dieses Jahr in den Duden aufgenommen werden? Vorschläge? Und wenn ihr wissen wollt, wie ein Wort in den Duden gelangt, dann folgt diese Link

Neben den Inhaltswörtern haben wir die Funktionswörter. Diese brauchen wir, um grammatisch korrekte Sätze bilden zu können. Sie werden in der Regel nicht durch neue Wörter ergänzt und gelten daher als geschlossene Klasse. Hierzu zählen u.a.:

  1. Verhältniswörter (Präpositionen), z.B. unter, gegen, aufgrund

  2. Bindewörter (Konjunktionen), z.B. und, weil, oder

  3. Fürwörter (Pronomen), z.B. du, mein, es

  4. Fragepronomen, z.B. wer, was, wem

  5. Begleiter (Artikel), z.B. ein, der, das

Es gibt unterschiedliche Ansichten, welche Wortarten nun zu den Funktionswörtern gehören oder welche eher unter die Funktions- oder Inhaltswörter fallen. Auch kann man die verschiedenen Wortarten häufig noch aufteilen (z.B. es gibt verschiedene Arten von Tätigkeitswörtern), aber ich wollte ja nur einen kurzen Abriss geben, daher gehe ich jetzt auf keine Unterkategorien ein.

Wir müssen allerdings kurz über die Flexion sprechen, also das Deklinieren, Konjugieren und die Komparation :-). Denn das sind wichtige sprachliche Regeln, die die Kinder erlernen müssen. 

Deklination

Die Kinder müssen mit der Zeit lernen, dass man folgende Wortarten deklinieren kann:

  1. Hauptwörter (Nomen)

  2. Eigenschaftswörter (Adjektive)

  3. Fürwörter (Pronomen)

  4. Begleiter (Artikel)

Deklinieren heißt, die Wörter ändern sich abhängig vom Genus, Numerus und Kasus. Oje, was war das alles noch mal?!

Was vielen, die Deutsch lernen, die Haare zu Berge stehen lässt, sind die 3 verschiedenen Geschlechter (Genus)

Für weiblich, männlich und sachlich nutzen wir 3 verschiedene Artikel, der, die und das:

  • die Sonne

  • der Wind

  • das Gewitter

Nach dem Genus richten sich dann auch die Adjektive: 

  • eine große Katze

  • ein großer Hund

  • ein großes Kamel

Numerus (Ein- oder Mehrzahl) werden durch verschiedene Plural-Formen ausgedrückt:

  1. Schwert - Schwerter (Endung -er)

  2. Akku - Akkus (Endung -s)

  3. Stift - Stifte (Endung -e)

  4. Hase - Hasen (Endlung -n)

  5. Ohr - Ohren (Endung -en)

  6. Kasten - Kästen (Umlaut ändert sich)

  7. Ball - Bälle (Umlaut ändert sich und Endung -e)

  8. Bad - Bäder (Umlaut ändert sich und Endung -er)

  9. Finger - Finger (Nullmarkierung)

Und dann gibt es natürlich jede Menge Ausnahmen, die man sich dann auch noch merken muss, besonders bei Fremdwörtern, wie z.B. Stimulus - Stimuli, Kodex - Kodizes. 

Pizza - Pizzas, wobei hier wahrscheinlich der ein oder andere protestieren wird, weil die Mehrzahl für sie Pizzen sind. Und so gibt es tatsächlich für manche Begriffe mehrere, vom Duden auch akzeptierte, Pluralformen. Ein weiteres Beispiel: das Aroma – die Aromas/Aromen/Aromata. Das Gleiche gilt auch für das Geschlecht. Dialektal ist die Butter für viele umgangssprachlich auch der Butter

Manche Wörter haben als solches keinen Numerus, weil die Dinge nicht wirklich zählbar sind, zum Beispiel: Reis, Gras, Liebe. Allerdings können wir uns hinsetzen und Reiskörner, Grashalme und vielleicht Liebesbeweise zählen. 

Und bei manchen Pluralformen hab ich Jahre gebraucht, bis ich mir die richtige merken konnte. Wem von euch rutscht auch mal das Wort Kaktusse raus, auch wenn es eigentlich die Kakteen sind? 

Tja und dann bleibt uns noch der Kasus. Der hat es dann auch nochmal in sich, denn wir unterscheiden Nominativ, Genitiv, Dativ und Akkusativ. Ich spiele im Kopf immer wieder die Fragen, wer, wessen, wem, wen ab, wenn ich mich daran erinnern möchte, was welcher Fall war. 

Ich weiß, viele haben den Genetiv schon als tot erklärt und dialektal spielt er häufig keine Rolle. Aber mir kommt es nur schwer über die Lippen “dem Nachbar sein Hund” zu sagen. 

Der Dativ und Akkusativ sind aber viel wichtiger, wenn es um einen regelgerechten Spracherwerb geht. So müssen die Kinder erlernen, wem das Buch gehört - nämlich dem Bruder oder wen sie heute in der Schule getroffen haben - den Lehrer. Aber dazu später noch mehr, wenn es um die Meilensteine der Grammatikentwicklung geht. 

Konjugation 

Jetzt haben wir uns tapfer durch die Deklination gekämpft. Schön, wenn ihr bis hierher gelesen habt - dann bleibt uns noch die Konjugation. Konjugiert werden Verben. Und zwar nach:

Tempus (Zeitform, z.B. Gegenwart oder Vergangenheit): Ich spiele, ich spielte, ich habe gespielt, ich hatte gespielt, ich werde spielen, ich werde gespielt haben. Wer sich übersichtlich die verschiedenen Zeitformen anschauen und Übungen dazu durchlesen möchte, der kann sich diese PDF vom Auer-Verlag runterladen. 

Numerus (Ein- oder Mehrzahl): er spielt, sie spielen

Person (1., 2., 3. Person): er spielt, sie spielt, es spielt (Einzahl); wir spielen, ihr spielt, sie spielen (Mehrzahl)

Modus (Indikativ, Konjunktiv, Imperativ): sie spielt (Indikativ), sie spiele (Konjunktiv 1), sie spielte (Konjunktiv 2) spiel! (Imperativ) In der Umgangssprache verwenden wir den Konjunktiv 2 häufig mit “würde” (z.B. “sie würde spielen, hätte sie Zeit”). Eine genauere Erklärung zum Konjunktiv 1 und 2 findet ihr hier. 

Genus Verbi (Aktiv, Passiv): sie fährt versus sie wird gefahren (das Passiv gibt es dann wieder für alle Zeitformen, die Lernwerkstatt stellt kostenlose Probeseiten zur Verfügung, die einen guten Überblick bieten, den Link dazu findet ihr hier).

Komparation

Als letztes haben wir die Komparation. Hier geht es um die Steigerung von Adjektiven. Nicht alle Adjektive lassen sich steigern, wie zum Beispiel “kaputt” (obwohl Ragnar sicherlich argumentieren würde, dass Thorvi seinen ohnehin schon ramponierten Traktor noch kaputter gemacht hat, als sie ihn vom Tisch geschmissen hat). 

Prinzipiell unterscheiden wir 3 Stufen der Steigerung:

  1. Positiv: heiß

  2. Komparativ: heißer

  3. Superlativ: am heißesten

Nach meinem Geschmack kommt der Superlativ in unserem Haushalt zu häufig vor. Wie ist das bei euch? 

Ich mache den Einzug diverser Superhelden in unsere Erlebniswelt verantwortlich. Dank Superheldenkostüme, Paw Patrol und Superman-T-Shirts und diverser Kindersendungen, ging das Ruckzuck. Die Superwings können mittlerweile leider nicht mehr nur Pakete in die verschiedenen Länder der Welt versenden, nun müssen sie auch noch mit weiß der Geier für einer Energie aufgeladen und mit neuen Funktionen bestückt werden. Schade… denn wir wissen nur zu gut, das Leben besteht nicht nur aus Superlativen und es ist schön, wenn der Tag gespickt ist mit Positiven. Oder wer wäre nicht glücklich über einen lustigen Tag (egal ob der Tag des Nachbarn lustiger war - und wer will schon festlegen, was lustig ist und was nicht). 

Wie wir neue Wörter basteln - 3 Möglichkeiten der Wortbildung

Zum Abschluss des Themas Wortgrammatik möchte ich noch über 3 Möglichkeiten der Wortbildung sprechen: 

  1. Komposition

  2. Derivation

  3. Konversion

Bei der Komposition werden verschiedene Wortstämme miteinander verbunden. Haus-tür, Regen-schirm. 

Bei der Derivation werden sogenannte Wortbildungsmorpheme dem Stamm hinzugefügt. Das können zum Beispiel Vorsilben sein wie Ver-, Vor-, Um- (wie in Verschlagen, Vorschlagen, Umschlagen) oder Endsilben wie -ung, -heit, -ig (Heizung, Offenheit, wackelig). Beispiele für eine Derivation sind zum Beispiel: glück-lich, ver-un-glückt. 

Bei der Konversion verändert ein Wort seine Wortart, ohne dass irgendwas angehängt wird, z.B. feiern (Tätigkeitswort), das Feiern (Hauptwort).  

Eure Kleinen sind sicherlich auch erfinderisch im Einsatz dieser 3 Möglichkeiten und kommen mit neuen Wortkreationen daher (darum ging es u.a. im letzten Blogpost über den Wortschatzerwerb). Die letzte Wortschöpfung meines Sohnes war “ich bin ein guter Hochhüpfer”, als er beschrieb, wie gut er denn in die Luft springen könne. 

Wortgrammatik - Wissen: Was soll ich damit?!

So, nun fragt ihr euch vielleicht, warum ich euch jetzt so viele Fachbegriffe rund um die Morphologie um die Ohren gehauen habe! Für eine gezielte Sprachförderung ist es immer gut einen Koffer voller Werkzeug zu haben. Und Wissen, wie die (deutsche) Sprache aufgebaut ist, hilft uns dabei die Äußerungen unseres Kindes besser einzuschätzen und zu entscheiden, in welchem Bereich es ggf. Unterstützung braucht. 

Wenn wir also wissen, wie die Sprache funktioniert und wann die Kinder welche Meilensteine in der Grammatikentwicklung erreichen, dann können wir ganz gezielt die Strukturen fördern, in denen die Kinder Schwierigkeiten haben. 

Also bleibt dran und seid gespannt, was ihr noch über die Satzgrammatik erfahrt ;-). 

Satzgrammatik (Syntax) - Wie wir Wörter miteinander kombinieren

Milch! - Sprich in ganzen Sätzen!

Das haben wir alle schon mal gehört, wohl am häufigsten während der Pubertät, als jede Konversation mit den Eltern als Zeitverschwendung angesehen wurde. Sehr zum Ärger der eigenen Eltern. 

Auch ich erwische mich, wie ich von meinen Kindern einfordere, sie mögen bitte in ganzen Sätzen sprechen. Auf den Ausruf “Milch” reagiere ich nur ungern und erwarte ein “Ich möchte bitte ein bisschen Milch”, bevor ich zum Kühlschrank gehe. Allerdings müssen wir dabei beachten, dass wir in der gesprochenen Sprache anders kommunizieren als in der geschriebenen. Während es in der Schriftsprache notwendig ist alle Satzteile aufzuschreiben, reicht es in der Spontansprache häufig, den Kern der Aussage zu kommunizieren. Wenn ich mal wieder mein Handy suche und meinem Mann zurufe “Hast du mein Handy gesehen?” Dann bekomme ich häufig nur ein knappes “auf dem Schreibtisch” als Antwort. Und das reicht auch aus, um meine Frage zu beantworten und den Dialog zu beenden. Diese Phrase “auf dem Küchentisch” ist im Grunde ein Satzglied oder ein Teil von einem Satzglied (der vollständige Satz wäre vermutlich “Ich habe dein Handy auf dem Küchentisch gesehen”).

Wir unterscheiden verschiedene Satzglieder, oder auch Phrasen genannt. Der Name der Phrase ergibt sich durch die Wortart, die die Phrase dominiert: 

  • Nominalphrase, z.B. die roten Bälle

  • Verbalphrase, z.B. schnell fahren

  • Präpositionalphrase, z.B. unter dem Bett

  • Adjektivphrase, z.B. angeblich falsch

  • Adverbialphrase, z.B. oft, sehr gerne

Die dominierende Wortart bestimmt dann auch, welche Flexion(en) vorgenommen werden müssen. In dem oben genannten Beispiel fordert die Präposition “auf” eine Anpassung von “der Küchentisch” zu “dem Küchentisch” (der Teil muss im Dativ stehen). Diese Anpassungen oder grammatischen Anpassungen nennt man Kongruenz. Das ist eine wichtige Fähigkeit, die die Kinder erlernen müssen (siehe Meilensteine unten).

Die Milch steht im Kühlschrank! Sätze - nur korrekt, wenn alle Satzglieder da sind

Im Gegensatz zu den Phrasen, die auch dann korrekt sind, wenn sie das kommunikative Ziel erfüllen, brauchen Sätze alle geforderten Satzteile, um als grammatisch korrekt zu gelten. 

5 Satzarten, die wohl jeder kennt, sind:

  1. Aussagesatz, z.B. Die Musik ist laut.

  2. Aufforderungssatz, z.B. Mach die Musik leiser!

  3. Fragesatz, z.B. Welche Musik hörst du am liebsten?

  4. Satzgefüge - Koordination, z.B. Ich spiele Gitarre und tanze gerne.

  5. Satzgefüge - Subordination, z.B. Weil ich mir das Bein gebrochen habe, kann ich momentan nicht tanzen. 

Damit Kinder diese verschiedenen Satzarten erlernen, ist es gut, alle Formen immer wieder anzubieten. Das geht z.B. gut beim Bilderbuch-Anschauen:

  1. Da hüpft der Hase. (Aussagesatz)

  2. Hüpf auch mal so hoch wie ein Hase! (Aufforderungssatz)

  3. Wer kann noch hüpfen? (Fragesatz)

  4. Der Hase hüpft und frisst gerne Karotten. (Satzgefüge - Koordination)

  5. Weil der Hase kräftige Beine hat, kann er gut hüpfen. (Satzgefüge - Subordination)

Je nach Satzart ändert sich auch die Stellung des Verbs. Diese Verbstellungsregeln sind wichtig im Spracherwerb, es werden 3 unterschieden:

  1. Verb-Zweitstellung

  2. Verb-Erststellung

  3. Verb-Endstellung

Verb-Zweitstellung: Im klassischen Aussagesatz steht das finite (konjugierte) Verb an 2. Stelle, z.B. Das Auto fährt über die Brücke. Infinite Verbteile (die nicht konjugiert werden) stehen meistens an letzter Stelle, z.B. Er hat 10 Stunden geschlafen oder wir hatten keine Lust zu spielen (hat/hatten ist das finite Verb, geschlafen/spielen das infinite).

Verb-Erststellung: Die finden wir im Frage- und Aufforderungssatz, z.B. Spielst du heute Fußball? Verteile die Karten. 

Verb-Endstellung: Die gilt im Nebensatz. Erst steht der infinite Teil, gefolgt vom finiten Teil, z.B. weil ich heute schwimmen (infinit) möchte (finit). 

Wie man an den Beispielen sieht, je nach Satzart, ändert sich die Satzstruktur oder die Reihenfolge der Satzglieder. Nun, welche Satzglieder gibt es? Kramt mal in eurem Schul-Grammatik-Wissen… Ins Hirn eingebrannt haben sich bei mir:

  1. Subjekt

  2. Prädikat

  3. Objekt (hier wird noch einmal in Genetiv-, Dativ-, Akkusativ-, Präpositionalobjekt unterteilt)

  4. Adverbiale Bestimmung (es gibt verschiedene Arten, z.B. die adverbiale Bestimmung der Zeit, des Ortes und der Art und Weise)

Es ist ganz gut diese Satzglieder im Kopf zu behalten, wenn man den Kindern einen variablen Sprachinput geben und ihnen die Verb-Zweitstellung beibringen möchte. So kann man verschiedene Satzglieder in die erste Position setzen und das Kind hört, dass das Verb trotzdem an 2. Stelle bleibt. 

Zum Beispiel:

  • Der Junge steht hinter dem Auto. (Subjekt ist an 1. Position)

  • Hinter dem Auto steht der Junge. (Adverbiale Bestimmung des Ortes ist an 1. Position

  • Die Frau mäht den Rasen. (Subjekt ist an 1. Position)

  • Den Rasen mäht die Frau. (Akkusativobjekt steht an 1. Position)

Die Phrasen und Satzglieder sind auch dann von Nutzen, wenn man den Kindern helfen möchte ihre Satzstruktur zu erweitern. 

Beispiele zur Erweiterung der Satzstruktur:

Kind sagt Erwachsener sagt Erweiterung

Bild malen Du malst ein Bild Subjekt

Wir essen Wir essen Nudeln Akkusativobjekt

Der Vogel sitzt Der Vogel sitzt auf dem Ast Adverbiale Bestimmung des Ortes


Wir könnten natürlich in jeden Bereich der Syntax noch viel tiefer einsteigen, aber ich wollte hier nur einen groben Überblick geben, damit ihr den Teil zu den Meilensteinen des Grammatikerwerbs besser verstehen könnt. Solltet ihr jetzt aber für die Grammatik brennen und mehr darüber nachlesen wollen, kann ich die Kapitel in Simone Kannengiesers Buch empfehlen (2019, siehe volle Referenz unten).

Falls ihr hören möchtet, was Katrin und ich in unserem Podcast zum Thema Grammatik-Entwicklung besprochen haben, dann hört euch Folge 7 von Logopädie kompakt an.

Wie bastle ich einen Satz? Meilensteine in der Grammatikentwicklung 

Bevor ich zu den Einzelheiten komme: ich werde mich hier auf die expressiven Entwicklungsschritte beziehen, also was die Kinder sprechen und nicht, was sie verstehen. Das Verständnis für grammatische Strukturen beginnt schon sehr früh, ist aber auch schwierig zu beobachten oder zu quantifizieren. 

Auch möchte ich noch erwähnen, dass die Entwicklung von grammatischem Wissen eng an den Wortschatzerwerb gebunden ist. Erst, wenn ein Kind genügend Wörter abgespeichert hat, kann es beginnen, diese Wörter miteinander zu kombinieren (siehe u.a. Trudeau & Sutton, 2011; Marjanovic-Umek, Fekonja-Peklaj, & Podlesek, 2013). Somit ist es sinnvoll bei einem Kind beide Bereiche, den Wortschatz und die Grammatik, anzuschauen. Falls ihr mehr über die Entwicklung des Wortschatzes wissen wollt, schaut euch meinen letzten Blogpost zur Entwicklung der Wortbedeutung an. 

Erst werde ich nach Altersspannen die meiner Meinung nach wichtigsten grammatischen Entwicklungsschritte auflisten und dann nochmal auf besondere Meilensteine eingehen. Ihr findet in der Literatur verschieden ausführliche Übersichten. Wie schon so oft erwähnt, ist es wichtig zu beachten, dass Kinder sich sehr individuell entwickeln und die Normdaten häufig eine deutliche Variabilität zeigen. 

Solltet ihr euch Sorgen machen, dass sich euer Kind nicht altersgerecht entwickelt, holt euch rat, von einem Kinderarzt oder idealerweise von einer Logopädin/Sprachtherapeutin. 

Zwischen 18-24 Monate: 

Morphologie: 

  • Verbflexion: Tätigkeitswörter kommen in in der Stammform vor (z.B. lauf), aber auch mit -t (lauft) und -en Endungen (laufen); das Partizip Perfekt ist zu beobachten, allerdings z.T. ohne ge- am Anfang (laufen anstatt gelaufen)

  • Deklination: Vereinzelt sind Pluralformen und Possessivmarkierungen mit Genetiv -s zu beobachten (z.B. Tims Schuhe)

Morphosyntax:

  • Keine Kongruenz zwischen Subjekt und Verb (z.B. Hund bellen)

  • Finite und infinite Formen kommen beide vor

  • Keine Kasusmarkierungen

Syntax:

  • Kinder beginnen (häufig) Inhaltswörter zu kombinieren, meist zu Zwei-Wort-Äußerungen, 

  • Worte werden aneinandergereiht ohne syntaktische Anordnung

  • Es gibt keine feste Wortstellung

  • Am Ende von Fragen heben die Kinder ihre Stimmlage oder benutzen Fragepronomen, die Satzstellung ist aber immer noch die eines Aussagesatzes (z.B. gehen ins Schwimmbad? Wer Schwimmbad gehen?

Zwischen 24-36 Monate:

Morphologie:

  • Verbflexion beginnt, u.a. Verbendung -e wird verwendet

  • Deklination beginnt, u.a. Genitiv -s und Pluralmarkierungen sind  zu beobachten (häufig Übergeneralisierung von -s und teils -en)

Morphosyntax:

  • Finite und kongruente Formen sind nun häufiger zu beobachten

  • Fehlende oder viele falsche Kasusmarkierungen 

  • Häufig noch keine Subjekt-Verb-Kongruenz 

Syntax: 

  • Äußerungslänge wächst (3 oder mehr Wörter), aber viele Sätze sind noch unvollständig

  • Verbendstellung ist noch vorherrschend, aber es sind auch Verb-Zweit-Stellungen zu beobachten

  • Kinder lernen Hauptsätze zu bilden

Ab 36 Monate:

Morphologie:

  • Verbflexion: Verbendung -st wird genutzt (z.B. du gehst)

  • Deklination von Adjektiven und Pronomen und Akkusativ wird erworben 

  • Zum Ende des 3. Lebensjahres wird auch der Dativ erworben, der vollständige Erwerb zieht sich aber bis ins Grundschulalter

Morphosyntax:

  • Subjekt-Verb-Kongruenz ist erworben (z.B. der Junge schaukelt anstatt der Junge schaukeln)

  • Sichere Nutzung von finiten Verben

Syntax: 

  • Kind lernt Nebensätze zu bilden (zunächst kausal-weil und temporal-wenn)

  • Korrekte Satzstruktur bei Fragen (Subjekt-Verb-Inversion, z.B. hast du heute Zeit? Anstatt früher: du hast heute Zeit?)

Ihr seht also, dass die wichtigsten grammatischen Regeln in den ersten 3-4 Lebensjahren erworben werden. 


Aufgepasst! Diese Zeichen sprechen für eine verzögerte Grammatikentwicklung

Wenn Kinder diese grammatischen Phasen nicht altersgerecht zu durchlaufen scheinen, ist es ratsam auf insbesondere Folgendes zu achten:

  1. Das Kind zeigt keine Wortkombinationen: Kinder sollten mit 18-24 Monaten anfangen mehrere Wörter aneinander zu reihen, später sollte diese Kombination grammatischen Regeln folgen.

  2. Das Kind verwendet nur starre Satzmuster, kurze Äußerungen oder Satzteile fehlen: Es werden z.B. keine Fragesätze formuliert oder keine Verb-Zweit-Stellung verwendet. 

  3. Es fehlt die Subjekt-Verb-Kongruenz: Kinder passen das Verb nicht/falsch an die Person und den Numerus an (z.B. ich geht, ihr rufen): 

  4. Das Kind nutzt keine Pluralformen: Die Mehrzahl wird nicht markiert (z.B. (zwei Auto)

  5. Funktionswörter (insbesondere Artikel und Präpositionen) werden nicht genutzt: z.B. wir malen Bild, Vogel sitzt Bank)

Fazit

Hui, bei so vielen Fachbegriffen ist es gar nicht einfach den Überblick zu behalten. Aber sie ganz weglassen, finde ich auch schwierig. Ich hoffe, die Beispiele haben geholfen, einen Überblick zu bekommen, um was es geht.

Ich finde, was am allerwichtigsten ist sich zu merken, wenn wir uns die Entwicklung der Grammatik anschauen, ist Folgendes:

  1. Es gibt Inhaltswörter und Funktionswörter. Kinder müssen lernen, wie diese Wörter miteinander in Beziehung stehen und angepasst werden (hinsichtlich z.B. Einzahl/Mehrzahl, Geschlecht, Zeitform wie die Vergangenheit) und wie neue Wörter gebildet werden.  

  2. Zu wissen, welche Teile ein Satz haben kann, ist hilfreich, um Kindern zu helfen, ihre Satzstruktur zu erweitern.

  3. Es gibt verschiedene Satzarten und diese sollten den Kindern auch alle angeboten werden, damit sie lernen, welche Wörter an welcher Stelle im Satz stehen (insbesondere, wo sie das Verb finden).

  4. Die Grammatikentwicklung geht schon mit dem 2. Lebensjahr los und die wichtigsten Regeln sind mit ca. 4 Jahren bereits erworben.

  5. Es gibt klare Anzeichen, die für eine verzögerte Grammatikentwicklung sprechen. Ein frühes Zeichen ist, wenn Kinder mit 18-24 Monaten nicht beginnen Wörter zu kombinieren.

Puh, das war keine einfache Kost. Danke an alle, die bis zum Ende durchgehalten haben. Und an alle, für die Deutsch nicht die Erstsprache ist und die sich durch die Grammatik des Deutschen quälen müssen: Es tut mir leid! Bei all den Regeln kann man schon manchmal verzweifeln und ich bin nur froh, dass ich Deutsch von Geburt an gelernt habe. Es ist schon fantastisch, welche großartige Lernfähigkeit Kinder zeigen: dass sie all diese Regeln intuitiv aus der Sprache herausziehen und sich ein solch komplexes Regelsystem aufbauen. Das ist schon erstaunlich!

Trotz der Komplexität des Themas hoffe ich, dass ich ein bisschen Neugierde für die Grammatik wecken konnte und ihr eine bessere Vorstellung darüber habt, welche grammatischen Regeln eure Kinder in den ersten Lebensjahren lernen sollten. 

Bleibt gesund und munter, 

Eure Blanca

Referenzen

Kannengieser, S. (2019). Sprachentwicklungsstörungen - Grundlagen, Diagnostik und Therapie (4 Ed.). München: Urban & Fischer Verlag/Elsevier GmbH.

Marjanovic-Umek, L., Fekonja-Peklaj, U., & Podlesek, A. (2013). Characteristics of early vocabulary and grammar development in Slovenian-speaking infants and toddlers: a CDI-adaptation study. Journal of Child Language, 40(4), 779-798. doi:10.1017/S0305000912000244

Trudeau, N., & Sutton, A. (2011). Expressive vocabulary and early grammar of 16- to 30-month-old children acquiring Quebec French. First Language, 31(4), 480-507. doi:10.1177/0142723711410828

Bildquelle

Foto von Jessica Lewis von Pexels

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