Sprachförderung für die Vorschule: 5 Tipps für zu Hause

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Wenn du wissen möchtest, wie du dein Kind fördern kannst, um es sprachlich  für den Schulstart fit zu machen, dann lies dir doch durch: 

  • Warum Rollenspiele so wichtig sind,

  • Wie die Erzählfähigkeit deines Kindes verbessert werden kann,

  • Wie eure Kinder Strategien entwickeln können, um sich Wissen anzueignen. 

Ich bin der Pirat! Warum Rollenspiele so wichtig sind

Kinder lieben Rollenspiele. Und auch wenn meine Kinder zum hundertsten Mal Baby-Einhorn spielen wollen, so versuche ich mich mit Engagement ein weiteres Mal darauf einzulassen. Warum? 

Zum einen sind die Rollenspiele eine wichtige Weise, um ihre Spielentwicklung weiter zu entwickeln. Auf der höchsten Stufe des sogenannten “pretend play” sind die Kinder in der Lage mithilfe von Sprache ein Szenario zu kreieren und zu beschreiben, z.B. “beim Kinderarzt” oder “Schatzsuche”. Das können also Spielsequenzen sein, die das tägliche Leben abbilden (wie “im Supermarkt”) oder auch Fantasiegeschichten sein, z.B. “im Eisschloss mit Elsa”. 

So werden in Rollenspielen 3 Komponenten gleichzeitig beansprucht und weiterentwickelt:

  1. Eine kognitive Komponente: die Kinder müssen sich eine Szene/Geschichte vorstellen und umsetzen (was braucht man an Gegenständen, welche Rollen/Charaktere gibt es etc.), dazu müssen sie vorausschauend planen (z.B. was braucht man für eine Schatzsuche), Zusammenhänge erkennen (z.B. um ein Schiff zu steuern, braucht man versch. Leute und Ausstattung) und verschiedene Szenarien in Betracht ziehen (z.B. was machen wir, wenn wir in einen Sturm geraten oder ein anderes Piratenschiff uns angreift). Auch muss ein Kind sich selbst regulieren lernen. Das bedeutet, z.B. zu warten, wenn es noch nicht an der Reihe ist oder sich an festgelegte Regeln zu halten. 

  2. Eine sprachliche Komponente: Die Kinder müssen das Geplante sprachlich umsetzen, mit ihren Spielgefährten besprechen, was wann passiert und dann die Geschichte mit Sprache umsetzen, Konflikte oder Missverständnisse (hoffentlich ;-)) verbal lösen. Sprache ermöglicht es auch über das momentan Erlebte hinaus die Geschichte auszubauen, über Vergangenes zu sprechen und über zukünftige  Ereignisse zu spekulieren (z.B. was machen wir, wenn wir gefährlichen Tieren auf der Schatzinsel begegnen?). 

  3. Eine soziale Komponente: Kinder müssen sich austauschen, welche Vorstellungen sie haben (wo z.B. der Piratenschatz versteckt sein sollte, welche Hindernisse überwunden werden müssen), gemeinsam einen Plan für die Umsetzung der Geschichte besprechen und überlegen, welche “Regeln” gelten, z.B. wer darf Kapitän sein, wo wird nach dem Schatz gesucht. Auch müssen unterschiedliche Ansichten geteilt und Kompromisse gefunden werden (z.B. wer darf der Kapitän sein, wer hält die Schatzkarte). Es wird geübt, sich gegenseitig zu helfen (z.B. die Schatzkiste muss gemeinsam getragen werden oder wir helfen denen an Land zu kommen, die noch nicht schwimmen können). 

So lernen Kinder neben der Sprache sich selbst und die verschiedenen Situationen besser kennen. Die Eltern und Bezugspersonen sind hier wichtige Helfer und Vorbilder, um diese Komponenten zu fördern (Kinder lernen viel durch Imitation), neue Impulse zu geben (eine immer wiederkehrende Spielhandlung zu erweitern oder abzuändern) und bei Schwierigkeiten Lösungswege aufzuweisen (z.B. was kann ich machen, wenn ich mich von meinen Mitspielern nicht verstanden fühle oder mir eine Regel nicht passt?). 

Dennoch ist es auch wichtig, dass Kinder mit anderen Kindern Rollenspiele spielen. Hier kann es hilfreich sein, wenn die Gruppen heterogen sind, z.B. die Kinder unterschiedlich alt sind. Das erfordert noch mehr, dass Kinder sich aufeinander einlassen und verschiedene Perspektiven einnehmen. 

Diese Fähigkeit, sich in die Lage anderer zu versetzen, ist eine sehr wichtige Kompetenz, die sich ab ca. dem 3./4. Lebensjahr ausbildet. Im Englischen wird es Theory of Mind genannt. Ein solches Vermögen beinhaltet zu überlegen, welche Ansichten, Gefühle, welches Wissen oder welche Perspektive ein anderer Mensch haben mag. Wir kennen das zu gut aus unserem Alltag. Wir erleben ein und dieselbe Situation, sie wird aber von unserem Partner komplett anders wahrgenommen. Das wird bei Zeugenaussagen recht deutlich, aber auch, wenn mein Mann oder ich den Rucksack für den Familienausflug packen. Während mein Mann der Meinung ist, dass man mit einem Päckchen Tempos und einer Wasserflasche ganz gut über den Tag kommt, können wir mit der von mir gepackten Tasche 2 Tage im Wald überleben. 

Wer nicht gerne als Pirat in See sticht oder sich beim Doktor dutzende von Spritzen setzen lassen will, der kann mit seinen Kindern auch auf andere Weise die Erzählfähigkeit fördern. 

Er ist ins Loch gefallen! Wie ihr Erzählfähigkeit fördern könnt

Mal- und Bauspiele

Eine Möglichkeit den Perspektivenwechsel zu üben (Theory of Mind, siehe vorherigen Abschnitt), ist es, eine Wand zwischen euch und eurem Kind aufzubauen und euch dann Mal- bzw. Bauanweisungen zu geben. Die Wand kann ein Karton oder ein Stapel Bücher sein. Am einfachsten sitzt ihr an einem Tisch. Über diese Übung haben wir auch in unserem Podcast Nr. 10 von Logopädie kompakt gesprochen, falls ihr euch anhören wollt, wie Katrin es mit ihrem Sohn umgesetzt hat.

Malspiele: Wenn ihr malt, dann braucht ihr Stifte von der gleichen Farbe. Einer von euch malt (hinter der Wand) etwas vor und beschreibt dann dem anderen, was er malen soll. Zum Beispiel: “male einen blauen Kreis. In den Kreis male ein grünes Dreieck. Male das Dreieck rot aus.” Die Anweisungen sollten nacheinander und langsam gegeben werden, damit der andere auch genug Zeit hat sie umzusetzen. 

Dann entfernt ihr die Wand und vergleicht eure Kunstwerke. Wenn sie sich voneinander unterscheiden, besprecht, was schwierig war umzusetzen oder welche Beschreibung evtl. nicht eindeutig war (z.B. “male einen großen Kreis”, “groß” kann vieles sein, abhängig davon, mit was man es vergleicht. Genauer wäre es zu sagen “male einen Kreis so groß wie eine Orange. Ja, die können auch unterschiedlich groß sein, aber zumindest malt man keine Melonen-großen Kreise). Ihr könnt auch überlegen, wie man die Anweisung hätte variieren können. 

Bauspiele: Meine Kinder bauen lieber, als dass sie Malen, daher würde ich für so ein Spiel zum Beispiel folgende Materialien empfehlen (da sind euch aber eurer Fantasie keine Grenzen gesetzt): 

  • Verschiedenfarbige und unterschiedlich große Holzklötze oder Lego-Steine

  • Spielfiguren (Tiere, Playmobil-Menschen etc.)

  • Teile, die z.B. bei Eisenbahn-Sets dabei sind, also Bäume, Ampeln, Verkehrszeichen

  • Teile aus der Spielküche/dem Kaufladen

Ihr müsst bei der Auswahl darauf achten, dass ihr von allem jeweils zwei Ausführungen habt, sonst wird das Kopieren schwierig. Ihr könnt es natürlich auch so machen, dass die Anweisungen nur mündlich gegeben werden. Dann müssen sich aber beide gut merken, welche Anweisungen es waren, um später zu entscheiden, ob sie auch korrekt ausgeführt wurden. Bei meinem löchrigen Gedächtnis käme ich da nicht sehr weit. 

Bildergeschichten

Bildergeschichten helfen gut, den Ablauf einer Geschichte zu strukturieren und das Gedächtnis zu entlasten. Hier kann erstmal über die innere Logik, den Ablauf und die Haupthandlung nachgedacht werden (Makrostruktur einer Geschichte), bevor genauer überlegt wird, wie man Sätze verknüpfen und sprachliche Elemente nutzen kann, um eine nachvollziehbare Handlung zu beschreiben (Mikrostruktur einer Geschichte). 

Zur Mikrostruktur gehört z.B. zu wissen, wie man Sätze verknüpft, in welchen Zeiten die Geschichte erzählt wird (was liegt in der Vergangenheit, was in der Gegenwart und was in der Zukunft) und wie man Referenzen herstellt. Zum Beispiel, wenn man “er hat das schon immer so gemacht” sagt, dann muss vorher sichergestellt werden, dass der Zuhörer weiß, wer “er” ist und welche Handlung mit “das” gemeint ist. 

Bildergeschichten können auch genutzt werden, um Perspektivenwechsel vorzunehmen. Man kann gemeinsam überlegen, wie jeder der Charaktere die Situation erlebt hat. Wenn man z.B. einen Brand in der Scheune nachspielt. Dann kann man überlegen, was der Feuerwehrmann überlegt hat, um das Feuer möglichst schnell zu löschen. Oder man versetzt sich in den Bauern hinein, bzw. die Schafe, die gerettet werden mussten. 

Was auch eine wichtige Fertigkeit ist, die auch später in der Schule verlangt wird, ist, dass Kinder lernen Leerstellen zu füllen. Das heißt, dass die Geschicht erweitert wird, zum Beispiel durch eine Fortsetzung oder einen inneren Monolog der Figuren. Bei der Brandgeschichte könnte man z.B. überlegen, wie der Feuerwehrmann nach dem Dienst zu Hause seiner Familie vom Einsatz erzählt, was besonders gefährlich war. Oder man beschreibt wie er auf die Wache fährt und einen Einsatzbericht schreiben muss, in dem er den Vorfall schildert. 

Fantasiegeschichten

Kinder lieben es, sich Phantasie- oder Quatschgeschichten auszudenken. Diese bieten noch mehr die Möglichkeit ihren Gedanken freien Lauf zu lassen. Dichtung und Wahrheit verschmelzen, es kann über (menschliche) Grenzen hinausgegangen und neue Erfahrungen gemacht werden. Zum Beispiel kann sich das Kind vorstellen ohne Luft zu holen in die tiefe See zu tauchen und verschiedene See-Kreaturen zu treffen. Phantasiegeschichten fördern so noch einmal mehr die Kreativität und Vorstellungskraft der Kinder… und der Spaßfaktor ist riesig. 

Wieso weshalb warum, wer nicht fragt bleibt dumm! Hab ich das richtig verstanden? Sprachverstehenskontrolle hilft weiter

Um Sprache zu verstehen, bedarf es vieler Fertigkeiten. In früheren Blogs ging es z.B.bereits um  die Wichtigkeit von Wortschatz und Grammatikwissen (siehe Blog XX). 

Was aber genauso wichtig wie das eigentliche Verstehen ist, ist die Fähigkeit zu merken, dass man etwas nicht verstanden hat. Erst wenn mir bewusst ist, dass ich etwas nicht mitbekommen habe und rausfinden kann, woran das lag und ich Strategien habe, um die Sprachverstehensprobleme zu überwinden, kann ich erfolgreich Sprache verstehen und einem Gespräch oder einem Text folgen. 

Es gibt 3 Ursachen, warum Verstehensprobleme auftreten können: 

  1. Es gab externe Störfaktoren. Zum Beispiel, wenn wir nach dem Weg fragen und während unser Gegenüber antwortet, fährt die Feuerwehr mit Sirene an uns vorbei. Dann haben wir schlichtweg akustisch die Antwort nicht hören können. Sicherlich kennt ihr auch Menschen, die generell sehr leise oder undeutlich sprechen, dann kann es auch schwierig sein, etwas zu verstehen. 

  2. Eigene Verstehensprobleme können entstehen, wenn wir Wörter oder Sätze nicht entschlüsseln können. Das kann zum Beispiel der Fall sein, wenn wir ein neues Wort hören, das wir nicht kennen. Das geht mir besonders häufig so, wenn ich meiner Schwiegermutter lausche. Sie hat eine Vielzahl an Wörtern in Ihrem Wortschatz, die ich noch nie gehört habe. Wisst ihr, was schnekern bedeutet? Auch kann ich nicht folgen, wie in manchen Teilen Deutschlands die Uhrzeit angegeben wird. Es will mir nicht in den Kopf hinein, dass “fünf nach viertel zehn” 9:20 Uhr bedeutet. Warum so umständlich, wenn es auch einfach geht? :-)

  3. Nicht adäquater Inhalt kann auch zu Verstehensproblemen führen. Das kann bedeuten, dass eine Anweisung, die man bekommt, gar nicht durchführbar ist. Zum Beispiel sagt jemand “hebe den Bagger hoch”. Wir wissen aufgrund unseres Weltwissens ganz genau, dass wir allein nicht in der Lage sind, einen Bagger hochzuheben und wundern uns, was unser Gesprächspartner wohl damit gemeint hat. Ein anderes Beispiel ist, dass über etwas gesprochen wird, das gar nicht vorhanden ist. Zum Beispiel sitzen wir am Tisch und mein Mann sagt “gib mir mal die Blutwurst”, die gibt es aber ganz sicher nie bei uns auf dem Essenstisch :-). 

Sprachverstehenskontrolle bei Kindern

Für Kinder ist es nun wichtig, dass sie erstmal lernen zu merken, dass sie etwas nicht verstanden haben und ihr Nicht-Verstehen kommunizieren lernen. 

Mit ca. 2;6-3;0 Jahren fangen die Kinder an zu signalisieren, dass sie etwas nicht verstanden haben. Dies geschieht zunächst eher nonverbal. Anfangs geschieht dies meist durch Wegschauen, später dann durch andere nonverbale Handlungen wie Kopfschütteln, Handzeichen. Manchmal werden die Kinder auch hibbelig, sind unruhig oder sehen verunsichert aus. 

Im weiteren Verlauf, so mit ca. 4-5 Jahren fangen die Kinder dann auch an verbal ihr Missverstehen zu signalisieren. Zum Beispiel rufen sie laut “nein”, “das stimmt nicht”, “das ist ja Quatsch”, “was?”

Im Vorschul- und Schulalter wird dann auch genauer gesagt, was sie nicht verstanden haben, was sie komisch finden oder wo sie noch um Klärung bitten (z.B. “das war zu leise, kannst du das nochmal sagen?”). Sie können auch schon falsche Informationen korrigieren, zum Beispiel: “Hä, ein Elefant hat doch keinen Schnabel, die haben einen Rüssel”. 

Eine etwas genauere Auflistung der Sprachverstehenskontrolle- Entwicklung findet sich in Schmitz & Diem (2007). Petra Schmitz hat eine Reihe von Publikationen zu diesem Thema, eine Auflistung findet ihr hier

Schritt für Schritt: Wie man Sprachverstehenskontrolle fördern kann

Wenn man das Gefühl hat, dass Kinder ganz grundsätzliche Probleme haben mit der Sprachverstehenskontrolle, dann kann diese zunächst ganz grundlegend aufgebaut werden. Schmitz und Diem (2007, S. 36) beschreiben in ihrem Artikel 4 Basismodule, die ich hier kurz zusammenfasse):

  1. Zuhören: Es sollte zunächst besprochen werden, wie man am besten zuhören kann: 

    1. während man zuhört selbst nicht sprechen, 

    2. nichts währenddessen tun (also nicht gleichzeitig spielen, herumlaufen o.ä.)

    3. den Sprecher anschauen. 

  2. Eigenes Verhalten anschauen: Man sollte mit den Kindern üben, dass sie erst einmal innehalten und überlegen, was sie gerade gehört haben. Sie können auch das Gehörte wiederholen. Das gibt ihnen mehr Zeit und Ruhe das Gehörte zu verarbeiten. Sie können so auch besser überlegen, was genau sie nicht verstanden haben. 

  3. Das Gehörte kontrollieren und Rückmeldung an den Sprecher geben: Es kann geübt werden, Inhalte, die keinen Sinn ergeben, zu erkennen. Im zweiten Schritt kann dann trainiert werden, dem Sprecher Rückmeldung zu geben (z.B. “das stimmt doch nicht” oder “das geht nicht”)

Wenn diese grundlegenden Fähigkeiten zur Sprachverstehenskontrolle vorhanden sind, kann geübt werden, Sprachverstehenskontrolle auf Wort- und Satzebene aufzubauen. 

Bei unbekannten Wörtern kann z.B. gesagt werden:

  • “Das Wort kenne ich nicht.” 

  • “Kannst du mir das Wort erklären.”

  • “Wie kann man das noch sagen?”

Wenn der Satz zu lang ist, kann man sagen: 

  • “Das war ein langer Satz/das war zu lang.” 

  • “Kannst du eins nach dem anderen sagen?/Kannst du das in mehreren Sätzen sagen?”

  • “Kannst du bitte kürzere Sätze machen?/Kannst du das Gesagte in mehrere Sätze aufteilen?” 

  • “Kannst du mir Schritt für Schritt sagen, was ich machen soll (wenn es ein Arbeitsauftrag war)?” 

Wenn der Satz zu kompliziert ist, können Kinder lernen zu sagen:

  • “Das war ein schwerer Satz.”

  • “Das war sehr kompliziert, was du gesagt hast.”

  • “Kannst du das einfacher sagen?”

  • “Kannst du das nochmal anders sagen?”

  • “Kannst du mir das nochmal erklären?”

  • “Was genau möchtest du von mir?/Was soll ich machen (wenn es ein Arbeitsauftrag/eine Aufforderung war)?”

Warum Sprachverstehenskontrolle so wichtig ist, besonders in der Schule

Wir kennen das selbst. Wenn wir einem Gespräch nicht folgen können oder den Faden verloren haben, dann werden wir nervös, sind gestresst, fühlen uns hilflos. Ich denke gerade an verschiedene Situationen. Zum Beispiel, wenn man im Ausland ist und die Sprache nur in Bruchstücken versteht. Hektisch versucht man über Schlüsselwörter dem Sprecher zu folgen. Man fühlt sich schnell ausgeschlossen, wenn man z.B. in einer Gruppe ist und nichts mitkriegt. 

Im Arbeitskontext steigt schnell Scham und Versagensangst auf, wenn man etwas nicht kapiert hat. Es bedarf einer Portion Mut in einem Teammeeting zu sagen: “Stopp bitte, das habe ich nicht verstanden. Kannst du das noch einmal erklären/kannst du dazu noch mehr sagen, dann wird es mir vielleicht klarer”. Ich übe mich täglich darin, denn irgendwie ist es selbst in uns Erwachsenen noch tief eingebrannt, dass man nicht um Klärung bitten sollte. Man möchte sich nicht bloßstellen. 

Und so geht es unseren Kindern auch. Umso wichtiger ist es, ihnen schon früh die Scham zu nehmen und mit ihnen die oben beschriebenen Verhaltensweisen zu üben. Ihnen zu vermitteln, dass es verschiedene Gründe gibt, warum man etwas nicht versteht und wie man konstruktiv mit einer solchen Situation umgehen kann. 

Man kann auch über die Gefühle sprechen, die hochkommen, wenn man etwas nicht versteht. So lernen die Kinder parallel auch ihre Emotionen wahrzunehmen und zu verstehen: “Das macht mich nervös, wenn ich nicht weiß, was mein Fußballtrainer gesagt hat. Ich habe Angst, dass die anderen über mich lachen, wenn ich die Übung falsch mache.” Wenn euer Kind lernt, konkret seine Gefühle zu beschreiben, dann entstehen keine diffusen Ängste oder generellen Bauchschmerzen. 

Im schulischen Kontext ist es besonders wichtig, dass Kinder Sprachverstehenskontrollen anwenden. Traut sich ein Kind nicht zu signalisieren, dass es nicht mitkommt, wird es den Anschluss verlieren und als Folge auch seine Motivation. Für Lehrer ist es nicht möglich für jedes Kind abzuschätzen, ob es dem Stoff folgen kann. Sie sind dankbar, wenn aktiv rückgemeldet wird, wenn etwas nicht verstanden wurde. 

Die oben beschriebenen Strategien zur Klärung von Missverstehensproblemen geben euren Kindern Werkzeuge an die Hand, mit denen sie proaktiv sein können. Das stärkt das Selbstvertrauen. 

Auf diesen Strategien kann dann weiter aufgebaut werden. Ihr könnt mit euren Kindern besprechen, wie man ähnliche Strategien und Fragen nutzen kann, um Probleme zu lösen: 

  • “Was kann ich machen, damit ich darüber mehr weiß oder das verstehe?”

  • “Wen kann ich um Hilfe bitten?” 

  • “Was möchte ich genau wissen/erfragen?”

Konkrete Übungen für Vorschulkinder

Nun stellt sich euch vielleicht die Frage, wie man konkret die Sprachverstehenskontrolle üben kann. Hier ein paar Vorschläge:

  1. Bevor ihr ein Buch lest/einen Podcast hört/ein Video schaut, könnt ihr euer Kind auffordern nachzufragen, wenn es etwas nicht versteht “In vielen Büchern gibt es Wörter, die wir noch nicht kennen. Wenn du ein neues Wort hörst, sag mir Bescheid, dann erkläre ich dir, was es bedeutet.”

  2. Wenn ihr über ein schwieriges Wort stolpert, dann könnt ihr euer Kind fragen “Kennst du das Wort schon? Oder soll ich es dir erklären?” oder “Das ist ein schwieriges Wort, ich versuche es dir zu erklären:”

  3. Im Alltag Situationen bewusst machen, in denen das Zuhören schwierig ist: “Wenn ich den Rasen mähe, dann ist das so laut, dass ich euch sehr schwer verstehen kann. Bitte warte kurz, ich stelle den Rasenmäher aus, dann sag es bitte noch einmal.”

  4. Gemeinsam überlegen, in welchen Situation hören/zuhören schwer fällt, zum Beispiel auf der Baustelle, wenn laute Musik im Hintergrund läuft; wenn viele auf einmal sprechen; wenn man selbst müde ist; wenn der Sprecher weit weg ist/eine Maske auf hat/leise spricht.

  5. Bildergeschichten: Geschichte erzählen und bewusst Fehler einbauen. Euer Kind muss euch signalisieren, wenn es etwas nicht verstanden hat oder das Gesagte keinen Sinn ergibt. 

  6. Audioaufnahmen: einer spricht, der andere macht Störgeräusche (z.B. mit Papier knistern, rasseln, selbst was erzählen, husten während des Sprechen). Danach könnt ihr euch die Audioaufnahme anhören und überlegen, was schwer zu verstehen war und warum. 

  7. Schwierige Wörter: ihr sucht schwierige Wörter raus (z.B. aus einer Geschichte) und findet gemeinsam eine Definition/Erklärung (schaut z.B. in ein Lexikon; fragt jemanden, der sich mit dem Thema/Wort auskennt; googelt nach Informationen). 

Fazit

Ich hoffe, ich konnte euch ein paar Inspirationen geben, wie ihr Sprache für die etwas Älteren fördern könnt. Ich hoffe auch, dass ich euch überzeugen konnte, dass Sprachverstehenskontrolle eine wichtige Fertigkeit ist, um sich im kommunikativen Kontext zurechtzufinden. Hier meine Take-home Messages: 

  1. Rollenspiele fördern das Denkvermögen, die sprachlichen Fähigkeiten und das soziale Verhalten eurer Kinder und helfen ihnen, sich in die Lage anderer zu versetzen (ein wichtiger Aspekt der Theory of Mind).

  2. Die Erzählfähigkeit kann gut mit Hilfe von Mal- und Bauspielen und mit Bilder- und Fantasiegeschichten gefördert werden. Auch können Kinder so lernen klare Anweisungen zu geben oder kohärente Abläufe zu formulieren.

  3. Die Sprachverstehenskontrolle ist eine wichtige Fähigkeit, um die Kommunikation mit anderen aufrecht zu erhalten und zu signalisieren, wenn man etwas nicht verstanden hat.

So, ich hoffe, ihr hattet beim Lesen nicht das Gefühl „Ich versteh nur Bahnhof“, falls doch, macht von eurer Sprachverstehenskontrolle gebrauch und schreibt mir eure Fragen oder Anmerkungen.

Viel Spaß bei den nächsten Mal- und Bastelspielen oder der nächsten Fantasiegeschichte.

Eure Blanca

Referenzen

Bodrova, E. (2008). Make‐believe play versus academic skills: a Vygotskian approach to today’s dilemma of early childhood education. European Early Childhood Education Research Journal, 16(3), 357-369. doi:10.1080/13502930802291777

Schmitz, P., & Diem, A. (2007). Sprachverstehenskontrolle - Ein wichtiger Ansatzpunkt in der Therapie von Sprachverstehensstörungen. Forum Logopädie, 27(5), 32-39. 

Bildquelle

Foto von Pixabay von Pexels

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