Sprachförderung im Alltag: Was Sie unbedingt wissen sollten

Sprachförderung im Alltag.jpg

In diesem Blogpost werde ich euch Hintergrundwissen vermitteln:

  1. Wie man am besten mit allen Sinnen Sprache erlernen kann

  2. Welche Strategien wir nutzen können, um Kindern Bedeutungen von Dingen zu vermitteln (und welche Rolle interkulturelle Unterschiede spielen können)

  3. Wie Wörter gespeichert werden und wie ihr euren Kleinen helfen könnt, Wortbedeutungen zu erlernen, zu vertiefen und miteinander zu verknüpfen

Mit allen Sinnen Sprache erlernen: Sensorische Integration mit Haushaltsgegenständen

Wie merkt man sich eine Bedeutung oder ein Wort? Das geht am besten, wenn man möglichst viele Informationen damit verknüpfen kann. Stellt euch zum Beispiel vor, ihr seid auf Bali und steht auf dem Wochenmarkt (ohh, Erinnerungen an die Hochzeitsreise kommen hoch :-)). Euer Tour-Guide gibt euch eine unbekannte Frucht in die Hand. Ihr spürt die schuppenartige Schale, riecht daran, merkt euch die braunfleckige Farbe, probiert das feste, helle, süße Fruchtfleisch. Dann sagt er euch, “diese Frucht nennt man Salak oder auch Schlangenfrucht”. Ich bin mir sicher, ihr lernt das Wort schneller, als wenn ihr euch in eurem Reiseführer Bilder von Schlangenfrüchten anschaut. 

Und so ist es auch ratsam, euren Kleinen die Möglichkeit zu geben, die Welt mit allen Sinnen zu erfassen. Ein multi-sensorisches Erleben hilft beim Erwerb neuer Wörter (siehe z.B. Beck , McKeown & Kucan, 2002). Dass die Steine hart sind, merkt man deutlich, wenn man mit dem Knie drauf gefallen ist (was nicht heißen soll, dass ihr eure Kinder zum Fall bringen sollt ;-)). Aber es gibt im Alltag für unsere Kinder häufig Gelegenheiten, Dinge ganzheitlich zu erfahren. 

Wir sind zum Beispiel momentan dabei, einen seit Jahrzehnten verwilderten Garten in Schwung zu bringen. Es gibt große und kleine Steine wegzutragen, die großen sind schwer, die kleinen leicht. Manche sind rund und manche kantig. Nach viel Sonnenschein ist die Erde staubig, nach einem Regenguss matschig (so oder so sind die Klamotten nach dem Garteneinsatz nicht mehr sauber, sondern schmutzig :-)). Ihr seht, so können meine Racker viele Eigenschaften entdecken, vergleichen und miteinander verknüpfen und ich attackiere gleichzeitig das Unkraut. 

Ich weiß, es kostet manchmal starke Nerven die Kinder Sachen ausprobieren zu lassen. Gerade in das Alter, in dem jeder Gegenstand in den Mund wandert, ist für Eltern stressig. Ständig sorgt man sich, ob sich das Kind auch nicht verschlucken kann oder welche Keime wohl daran kleben mögen. Ich wurde schier wahnsinnig, als Ragnar am Flughafen einmal quer über die Stuhllehnen geleckt hat.

Darum schafft euch ein Umfeld, das sicher ist und in dem es nur “gesunden” Dreck gibt, und lasst eure Kinder auf Entdeckungsreise gehen.

Das Gute ist, ihr braucht dafür keine speziellen Spielzeuge, viele Dinge im Haushalt lassen sich nutzen. Ihr könnt zum Beispiel harte und weiche Sachen zusammensuchen oder auch Gegenstände mit verschiedenen Texturen (raue und glatte Oberflächen). 

Die Kinder sollen Erfahrungen sammeln, und das auch am besten in verschiedenen Situationen. Die kleinen Entdecker sollen zum Beispiel herausfinden, dass Gegenstände in verschiedenen Kontexten vorkommen können (z.B. dass es Fußbälle, Tennisbälle, Massagebälle, usw. gibt) und dass man ein und denselben Gegenstand für verschiedene Dinge nutzen kann (z.B. auf der Kiste kann man sitzen, Sachen reintun, sich durch die Gegend schieben lassen). 

Wichtig bei alledem ist, dass ihr auf die Aktionen eurer Kinder sprachlich reagiert und sie sprachlich begleitet, also z.B. beschreibt, was sie gerade tun (z.B. sie tunken das Handtuch in den Eimer mit Wasser) und welche Erfahrungen sie machen (z.B. das Handtuch wird nass). 

Neuere Forschung betont (u.a. Mason et al., 2019), wie wichtig dieser direkte (sprachliche) Austausch zwischen euch und eurem Kind ist (mehr dazu findet ihr in meinem letzten Blogpost unter dem Thema Triangulieren). 

Falls ihr übrigens nach Ideen sucht, welche Materialien oder Spiele ihr mit euren Kindern ausprobieren könnt, dann ladet euch hier meinen kostenlosen Printable runter. Dieses Mal habe ich meine Lieblingsspiele/-materialien aufgelistet, die ich mit meinen Zwei so ca. zwischen dem 6. und 12. Monat verwendet habe: Treasure Baskets, gefüllte Flaschen und Socken. Zudem findet ihr dort Spielideen für alle Sinne (Sensory Play). Auch wenn das Ideen für die etwas Kleineren sind, so finden die 2-3 Jährigen diese Spiele auch noch toll. Wer planscht schon nicht gerne in buntem Wasser rum oder geht auf Schatzsuche. Falls Ihr noch Ideen habt, teilt sie gerne mit mir in der unten vorhandenen Kommentarfunktion.

“Maaahlzeit!”: Rituale und Routinen nutzen, um die Sprachentwicklung zu fördern

Kinder lernen viel über das Beobachten und Üben von Routinen und Ritualen. Immer wiederkehrende Handlungen geben einen idealen Rahmen. Zum einen lernen sie, wie man miteinander (sprachlich) umgeht (z.B. wenn man jemandem wehgetan hat, dass man sich entschuldigt) und welche Wörter man benutzt (z.B. “Entschuldigung, das wollte ich nicht”).

Wenn vor dem Essen immer “Guten Appetit” gesagt wird, dann ist es recht einfach für das Kind eine Verknüpfung zwischen diesen Worten und dem folgenden Essen der Speisen herzustellen.  Weitere Beispiele findet ihr hierzu auch in unserer Podcast-Episode 5.

Die Kleinen können gewisse Handlungen und sprachlichen Äußerungen vorhersehen und bekommen die gleiche Situation wieder und wieder präsentiert. Das gilt auch fürs Fluchen beim Autofahren, also passt auf, was euch da so alles rausrutscht (ich spreche aus Erfahrung…). 

So ist es von Vorteil, wenn ihr mit euren Kindern immer wiederkehrende Rituale und Routinen “einübt” und dabei:

  • Immer gleiche Phrasen integriert (z.B. “Lasst es euch schmecken, Guten Appetit”)

  • Kleine Reime eingebaut (z.B. “Schrub, schrub hin und her, Zähne putzen ist nicht schwer”, “Juhu, die Jacke ist ist jetzt zu”)

  • Im gleichen Kontext neue Wörter nutzt (z.B. am Esstisch: “Bitte gib mir mal die Gabel/Butter/Marmelade”, “Wer möchte noch ein paar Nudeln/Gurken?”)

  • Verschiedene Fragen stellt (z.B. “Wo ist die Zahnbürste? Hast du die Zahnpasta gesehen? Welchen Zahn müssen wir noch putzen?”)

  • Die Handlung beschreibt (“Nun schließe ich den Kindersitz. Ich mache die Schnalle zu”)

Wie im Blogpost 2 genauer beschrieben: es ist bei all diesen Handlungen wichtig, in einen Dialog mit eurem Kind zu kommen und interaktiv zu handeln. 

Dabei geht es nicht darum, dass euer Kind möglichst viel Sprache produziert, sondern aktiv an der Handlung/Situation teilnimmt und seine Aufmerksamkeit auf euch und das Geschehen richtet. 

Euer Input steht weiter im Vordergrund und bietet so wichtigen Nährboden für den Zuwachs an Sprache. Nach und nach werden die Sprechanteile eurer Kinder mehr werden und ehe ihr es euch verseht, plappern sie euch die Ohren ab. 

Hinweis: Solltet ihr euch Gedanken machen, dass sich euer Kind sprachlich nicht oder nur kaum weiterentwickelt, tragt diese Sorgen nicht mit euch rum. Sprecht mit eurem Kinderarzt oder holt euch Rat bei (nicht-ärztlichen) Fachleuten (z.B. Logopäden, Sprachtherapeuten). 

2 oder 3 Küsschen? Interkulturelle Unterschiede bei der Sprachförderung

Beim Spracherwerb, aber insbesondere bei den Ritualen und Routinen kann es ganz unterschiedliche Ansichten geben, wie diese abzulaufen haben. Diese interkulturellen Unterschiede müssen wir im Kopf behalten, wenn wir bestimmte Routinen und Rituale mit unseren Kindern “einüben” oder nutzen, um Sprache zu vermitteln. 

In unseren Podcast 5 sprechen Katrin und ich darüber, wie unterschiedlich die Begrüßungsrituale in verschiedenen Ländern sind. In England brauchte es keine Pandemie, um einen fassungslosen Blick einzufangen, als ich enthusiastisch meine Hand zur Begrüßung anbot. Aufgrund von Corona dürfte sich allerdings dieser britische Umgang global durchgesetzt haben :-(. 

Wichtig ist, dass wir authentisch sind und nur Rituale oder Routinen annehmen, hinter denen wir stehen, die wir gerne ausführen und die für uns Sinn ergeben. Je nachdem, welchen kulturellen Hintergrund ihr habt, werdet ihr Situationen für euer Kind schaffen, die euch und eurem Kind guttun und in denen ihr gemeinsam Sprache entdecken könnt. 

Interkulturelle Unterschiede und cross-linguistische Unterschiede müssen auch beim Erwerb bestimmter Wörter bedacht werden. Als ich an der Entwicklung einer Wortschatz-App mitgearbeitet habe, wurden Unterschiede im Sprachgebrauch sehr deutlich. 

Zum Beispiel in Mandarin (auf welchem das Hoch-Chinesisch beruht) können die Verben “kochen” und “lesen” nicht allein stehen bleiben, es muss immer dazu gesagt werden, was gekocht oder gelesen wird. Das Wort “zeigen” wird nicht im Alltag genutzt und wird höchstens in einem formalen Kontext angewandt, in Form einer Anleitung/Instruktion. 

Ein weiteres Beispiel: Im Polnischen gibt es verschiedene Wörter für “spielen”, abhängig davon, ob man mit einem Ball spielt oder generell über das Spielen sprechen möchte. 

Kennt ihr noch andere Beispiele? Ich finde es total spannend von solchen Unterschieden im Sprachgebrauch zu erfahren. Also schreibt mir, wenn euch was dazu einfällt. 

Nachdem es um den allgemeinen Kontext von Sprachentwicklung ging, möchte ich im nächsten Abschnitt noch etwas genauer der Frage nachgehen, wie wir uns Dinge, Zusammenhänge und Bedeutungen merken können.

Wie sieht es aus? Aus welchen Teilen besteht es? Was kann ich damit machen? 3 Fragen, die helfen, die Welt zu verstehen

Stellt euch vor, ihr habt gerade auf einem der Shoppingkanäle das ultimative Spielkissen für Hunde entdeckt und wollt euren Partner überzeugen, dass ihr das unbedingt für euren Schnuffi anschaffen müsst. Ihr würdet damit anfangen zu beschreiben, wie das Ding aussieht (rund, flach, grau/rot). Dann würdet ihr erklären, aus welchen Teilen es besteht (mit kleiner eingenähter Tasche) und was man damit machen kann (es als Spielzeug nutzen oder kleine Duftbeutel reintun, damit der Hund sich entspannen kann). Na, könnt ihr euch etwas unter dem Ding vorstellen? Wenn nicht, dann müsste ich meine Beschreibung bezüglich Aussehen, Teil-Ganzes und Funktion überarbeiten und weitere Details hinzufügen. Übrigens, wer sich jetzt wundert, was für ein Produkt das eigentlich ist, der folge dem Link. Nur zur Info, das Beispiel dient rein zur Illustration. Ich habe keinen heimlichen Werbevertrag, der mich verpflichtet das Produkt zu promoten. :-) Und ganz zum Leidwesen meines Sohnes: Wir haben nicht mal einen Hund. Aber sollte sich jemand dieses Kissen für seinen Fellfreund (oder sich selbst) kaufen, dann sagt doch mal Bescheid, ob sich der Kauf gelohnt hat. :-)

So, nun aber zurück zu unseren drei Bereichen, die auch mit Hilfe von Fragen genutzt werden können: 

  1. Aussehen: Wie sieht es aus? - Wir beschreiben perzeptive Merkmale, d.h. wir sagen, wie wir etwas wahrnehmen. Das kann die Farbe, Form, Größe sein. Wir können auch weitere Sinnesorgane mit einbinden und fragen: Wie fühlt es sich an? Wie riecht es? Wie schmeckt es? Wie hört es sich an?

  2. Teil-Ganzes: Aus welchen Teilen besteht es? - Wir erläutern Teil-Ganzes-Relationen, z.B. wir beschreiben, dass ein Schmetterling Flügel und Fühler hat.

  3. Funktion: Was kann man damit machen? - Wir nennen funktionale Merkmale, d.h. wir beschreiben, wie wir einen Gegenstand nutzen können  (z.B. mit einem Messer kann man schneiden, Brote schmieren, schnitzen).

Ihr könnt also diese 3 Fragen nach Aussehen, Teil-Ganzes und Funktion nutzen, um eurem Kind neue Dinge zu erklären. 

Ihr könnt es auch auffordern, diese Beschreibungsmerkmale selbst einzusetzen, wenn es etwas beschreiben möchte. Die Fragen helfen die Gedanken zu strukturieren und systematisch dem Zuhörer eine Definition zu präsentieren. Für eine Spielidee und die unten abgebildeten Bilder als Vorlage ladet euch den folgenden Free Printable herunter.

Hilfreich sind die Fragen auch, wenn man nicht auf das Wort kommt. Durch das Beschreiben hat der Zuhörer die Chance herauszufinden, worum es geht - auch ohne den konkreten Begriff genannt zu bekommen. Man selbst hilft sich dabei das Wort ggf. doch noch abzurufen. 

Die Strategie des Beschreibens kann auch Stress vermeiden. Viele Kinder werden ungehalten oder frustriert, wenn ihnen ein Wort nicht einfällt. Druck baut sich auf, etwas sagen zu müssen. Eine schwer aushaltbare Stille entsteht. Kann das Aussehen, die Funktion oder Teile des Begriffes mitgeteilt werden, wird die Kommunikation aufrecht erhalten. 

Piktogramme_Wortschatz.JPG

Das Erklären des Begriffs kann auch noch durch Bilder unterstützt werden:

  1. Die Frage, “Wie sieht etwas aus?” kann durch eine Abbildung eines Auges dargestellt werden. (Mund; Nase und Ohr können noch ergänzt werden für weitere perzeptive Merkmale)

  2. “Aus welchen Teilen besteht es?” kann man durch eine Torte aufgeschnitten in Stücke illustrieren. 

  3. Ein Bild mit einer Hand kann genutzt werden, um “Was kann ich damit anfangen?” zu verbildlichen. 

Kontex bitte! Wort-Bedeutungen stehen in Bezug zu Dingen, Situationen und persönlichen Erfahrungen

Bevor wir überlegen, wie wir unseren Kindern helfen können Bedeutungen zu lernen und Sinnzusammenhänge zu verstehen, sollten wir uns daran erinnern, dass Bedeutungen abhängig vom Kontext sind.

“Die Tilda hat sich so über ihre neue Anschaffung gefreut. Es ist ein großartiges Gerät, Mensch ist die jetzt erleichtert.” Viele Fragezeichen poppen im Kopf auf, man versteht nur Bahnhof, um wen und was geht es hier!?

Ich bin mir sicher, jeder kennt mindestens eine Person, die regelmäßig aus dem Blauen heraus anfängt eine Geschichte zu erzählen ohne jeglichen Kontext zu bieten. Das sind doofe Momente, vor allem, wenn man befürchtet, dass man nicht richtig zugehört hat und deshalb nicht folgen kann und es einem zu peinlich ist noch mal genauer nachzufragen: Tilda: wer? Anschaffung: was? Erleichtert: warum? 

Auch wenn’s mir immer noch schwerfällt, ich habe mir angewöhnt nachzufragen. Denn es gibt nichts Anstrengenderes, als immer zwei Schritte hinterherzuhinken und dem Gespräch so gar nicht folgen zu können. 

Also, was wir uns merken können, wenn wir mit unseren Kindern kommunizieren: 

  1. Gebt Kontext, damit die Kinder verstehen, worum es gerade geht. 

  2. Bittet sie um Kontext, wenn sie aus dem Blauen heraus losplaudern (und das passiert am Anfang sehr häufig, weil sie erst lernen müssen, sich in andere hineinzuversetzen und zu verstehen, dass nicht jeder die gleichen Erfahrungen macht wie sie und nicht jeder die gleiche Sichtweise hat). 

  3. Sprecht darüber, wie Missverständnisse aufgrund von fehlendem Kontext entstehen können. In unserer Episode XXX unseres Podcasts geben Katrin und ich Beispiele für Spiele/Übungen, wie man (a) diesen Perspektivenwechsel trainieren kann und (b) wie man sich darin üben kann, genügend Informationen zu geben, damit der andere versteht, was man meint. 

Kontext ist auch deshalb so wichtig, da Wortbedeutungen sich je nach Situation ändern. Zum Beispiel das Verb “schlagen”: “mein Herz schlägt, ich schlage auf etwas ein, die Uhr schlägt, der Ritter schlägt das Schwert, das Team wird im Fußball vom Gegner geschlagen, man kann etwas vor-schlagen, um-schlagen, ein-schlagen, aus-schlagen, weg-schlagen, an-schlagen). 

Unsere persönlichen Erfahrungen spielen auch eine entscheidende Rolle beim Erwerb von Bedeutungen und dem Gebrauch von Wörtern. Mein Vater wurde als Kind durch Hundebisse schwer verletzt, sodass in seinem Sprachgebrauch leider das Wort “Köter” häufiger vorkommt als im durchschnittlichen Sprachgebrauch. 

So hat auch jedes Wort eine Grundbedeutung (Denotation), die mehr oder weniger allgemeingültig ist für alle (Wir wissen, dass ein Hund vier Beine und Fell hat, ein Säugetier ist und laut bellen kann). Gleichzeitig geben wir Wörtern eine subjektive Bedeutung (Konnotation). Persönliche Eindrücke, Erfahrungen und Emotionen prägen, was wir unter einem Hund verstehen, ob wir ihn als treuen Weggefährten oder Gefahr betrachten.  

Wenn wir nun Kindern helfen möchten, Bedeutungen in ihrer Vielfalt zu verstehen, so müssen wir ihnen wie oben beschrieben die Möglichkeit geben, Dinge in verschiedenen Kontexten zu erleben. In welchen Situationen zum Beispiel finden sie einen Ball (Fußball, Tennisball, Massageball, Wasserball), wie verändern sich Art, Funktion und Aussehen des Gegenstandes abhängig vom Kontext (z.B. der Wasserball ist leicht, den muss man aufblasen). 

Umgekehrt müssen wir unseren Kindern verdeutlichen, dass verschiedene Dinge (Referenten) einem Begriff zugeordnet werden. So sprechen wir von einer Blume, egal ob wir eine Rose, Nelke oder Geranie sehen. In meinem ersten Blogpost zur frühen Sprachentwicklung ging es bereits um den Basislevel, von dem wir Ober- und Unterbegriffe ableiten. 

Kinder lernen in der Regel erst einmal Begriffe auf dem Basislevel, also Auto anstatt Mercedes oder Skoda (es sei denn sie werden beim Spazierengehen trainiert wie meine Patentochter, die von ihrem Opa alle Automarken eingebläut bekommen hat). 

Wenn dann das Konzept für Autos und andere Fahrzeuge steht, dann versteht das Kind auch, was der Unterschied zwischen Autos, Bussen, Flugzeugen und Fahrrädern ist und dass sie alle unter die Kategorie Verkehrsmittel fallen. Diese semantischen Relationen helfen uns, Unterschiede und Gemeinsamkeiten zu erkennen und die Beziehungen der Begriffe untereinander zu beschreiben (z.B. Kirschen und Pflaumen gehören zum Kernobst). Es gibt eine Vielzahl von semantischen Relationen, die u.a. übersichtlich in Kannengießer (2019) beschrieben werden. 

 Unter anderem nutzen wir:

  • Synonyme: Sie haben die gleiche Bedeutung (z.B. wir können aufs Klo gehen, auf das WC oder die Toilette)

  • Antonyme: Sie bilden Gegensätze ab (voll - leer oder hart - weich)

  • Meronyme: Sie beschreiben Teil-Ganzes Beziehungen (Henkel-Krug, Reifen-Auto)

Bei Verben unterscheiden wir häufig, wie wir eine Tätigkeit ausführen (Troponymie). Allgemein essen wir unsere Nudeln, wir können sie aber auch:

  • Herunterschlingen (weil wir so hungrig sind und schnell was im Magen haben möchten)

  • Hinunterwürgen (wenn eine eklige Soße drüber geschüttet wurde, es aber an Alternativen zum Mittagessen fehlt)

  • Uns reindrücken (wenn wir mit wenig Esskultur am Sofatisch sitzen und den Fernseher eingeschaltet haben)

Danach können wir ins Fresskoma fallen und schlafen, schlummern, pofen oder ratzen (kennt ihr noch andere Wörter, die man anstatt schlafen benutzen kann?).

Schwierig wird es dann für Kinder, wenn sie auf homonyme Wörter treffen. Eine Wortform wird zur Beschreibung unterschiedlicher Dinge genutzt. 

Zum Beispiel müssen sich die Kleinen merken, dass es ein Schloss … (a) an der Tür gibt, (b) man damit Fahrräder festketten kann oder (c) damit eine Wohnstätte für Könige (Kaiser und andere Adlige) gemeint sein kann. 

Was an diesen Beispielen deutlich wird: Es ist eine mächtig schwierige Aufgabe, Bedeutungen und die dazu passenden Wortformen zu erlernen. Und da sich unsere Erfahrungswelt stetig verändert und neue Situationen und Wörter entstehen, haben nicht nur unsere Kinder, sondern auch wir immer wieder die Aufgabe, unser semantisches Netzwerk zu aktualisieren und zu erweitern. Wenn man all die Möglichkeiten betrachtet, Dinge zu beschreiben und wie unterschiedlich Wörter verstanden werden können, so ist es schon fast erstaunlich, dass wir meistens verstehen, was unsere Gesprächspartner sagen wollen. 

Bietet also euren Kleinen viele Möglichkeiten, diese Bedeutungszusammenhänge zwischen Wörtern zu erfahren und bietet Erklärungen, die auf den genannten semantischen Relationen beruhen. 

Hier zum Beispiel eine mögliche Situation am Fluss: “Schau mal die Gänse. So ähnliche haben wir gestern im Park gesehen. Die Gänse haben Flügel wie die Enten und Schwäne. Die Gänse sind aber viel größer als die Enten und haben längere Hälse. Die Schwäne haben aber die längsten Hälse und sind noch größer als die Gänse. Außerdem sind ihre Federn weiß. Alle können aber fliegen und schwimmen. Auf dem Land watscheln sie umher, d.h. sie wackeln hin und her beim Laufen. Das fandest du gestern so lustig zu beobachten. Kannst du auch watscheln? Probier doch mal. Und jetzt, kannst du ganz schnell rennen? Flitze mal von hier bis zum Baum. Dann schleiche zurück, laufe also gaaaanz langsam).” Na, habt ihr gemerkt, welche Mittel ich angewandt habe, um Bedeutungen zu vermitteln? 

Ja und nun könnt ihr mal ein bisschen experimentieren, wie ihr euren Kindern im Alltag Begriffe, Situationen und Tätigkeiten mit Hilfe vom Kontext und verschiedenen semantischen Relationen beschreiben könnt. :-)

Fazit

In diesem Blogpost haben wir uns angeschaut:

  1. Wie Gegenstände im Alltag genutzt werden können, um den Kindern Eigenschaften von Dingen zu vermitteln. Dies sollte, wenn möglich (und wenn die Nerven stark genug sind ;-)) mit allen Sinnen passieren, weil man sich Bedeutungen und Begriffe am besten merkt, wenn sie multisensorisch verknüpft sind. Außerdem sollten die Handlungen immer sprachlich begleitet werden. 

  2. Warum Routinen und Rituale ideal sind, um Kindern Sprache zu vermitteln. Die immer wiederkehrenden Handlungen, Wiederholungen, der Gebrauch der gleichen Wörter erleichtern es den Kindern, Bedeutungen zu verstehen und mit Wörtern zu verknüpfen.

  3. Welche Rolle Kontext spielt, wie Wörter miteinander verknüpft sind und wie man diese semantischen Relationen nutzen kann, um den Wortschatz von Kindern zu erweitern. 

Nun denn, ich werde nun mit allen Sinnen mein Abendessen genießen, der Duft der Süßkartoffel-Suppe zog mir schon eine Weile durch die Nase. Ich hoffe allerdings dabei nicht sprachlich von meinen Rackern begleitet zu werden und in Ruhe essen zu können. Mahlzeit! 

Bleibt gesund und munter,

Eure Blanca

Referenzen 

Beck, I. L., McKeown, M. G., & Kucan, L. (2013). Bringing words to life: Robust vocabulary instruction (2 ed.). New York, NY: Guildford Press.

Kannengießer, S. (2019). Sprachentwicklungsstörungen - Grundlagen, Diagnostik und Therapie (4 ed.). München: Urban & Fischer Verlag/Elsevier GmbH.

Mason, G. M., Goldstein, M. H., & Schwade, J. A. (2019). The role of multisensory development in early language learning. Journal of Experimental Child Psychology, 183, 48-64. doi:10.1016/j.jecp.2018.12.011

Bildquelle

Photo by Vanessa Loring von Pexels


Zurück
Zurück

Entwicklung der Wortbedeutung und des Wortschatzes: Wichtige Meilensteine!

Weiter
Weiter

Frühe Sprachentwicklung: Die ersten 24 Monate